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Juristische Fakultät Fakultätsgeschichte

„Eine Universität für Juristen und von Juristen“ – Ein kurzweiliger Gang durch die Geschichte der Heidelberger Juristischen Fakultät

Einen bildhaften Einblick in das überaus farbenfrohe Leben an der Heidelberger Universität in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermitteln die „Lebens-Erinnerungen“ Robert von Mohls, einem der großen Staatsrechtslehrer der Juristischen Fakultät und späterhin erster Reichsjustizminister Deutschlands in den Jahren 1848/49. Er charakterisierte die Hohe Schule als eine „Universität hauptsächlich für Juristen und von Juristen.“ Mehr als die Hälfte der Heidelberger Studenten waren Juristen, so dass „die Zuhörer der andern Fakultäten fast nur als wenig beachtenswerte Anhängsel erschienen und im Munde des gemeinen Mannes in Stadt und Umgegend Jurist und Student gleichbedeutende Namen waren.“ Erst mit dem Vordringen der Naturwissenschaften zum Ausklang des 19. Jahrhunderts ging ihr Anteil an der Gesamtstudentenzahl langsam zurück.

Wesentlich zu der Attraktivität Heidelbergs als Studienort für Rechtsbeflissene trugen die glänzenden Namen der Professoren bei, die im Zuge einer umfassenden Reorganisation der Fakultät 1803-06 berufen wurden. Überzeugt war man davon, „dass in der Verwaltung einer Universität die Hauptsache nicht ist, was auf dem Papier steht, sondern was auf dem Katheder steht.“ Gewonnen werden konnten für Heidelberg der hoch angesehene Pandektist (Lehrer des Römischen Rechts) Anton Friedrich Thibaut aus Jena und der Göttinger Strafrechtslehrer Christoph Martin. Gleichfalls für Heidelberg entschied sich Karl Salomo Zachariae, eines der „eigentümlichsten Professorenoriginale seiner Zeit“; von äußerster Knausrigkeit beim Geld, zählte er doch bei den Studenten zu den beliebtesten Dozenten auf den Gebieten des Staatsrechts, Kirchenrechts und Französischen Rechts.

Dieses neue Aufblühen der Juristenfakultät kam vor dem Hintergrund des nahezu völligen Verfalls der Universität Ende des 18. Jahrhunderts einem Wunder gleich. Denn 1803 waren nicht mehr als 50 Studenten an der gesamten Universität immatrikuliert. Ernsthaft dachte man in Karlsruhe daran, die mit dem Erwerb von Teilen der ehemaligen Kurpfalz gleichfalls auf die Markgrafschaft Baden übergegangene Hohe Schule zu schließen. Denn die Heidelberger Universität war nicht allein hoch verschuldet, sondern im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts herabgestiegen zu einer wissenschaftlich unbedeutenden Provinzuniversität. Vernichtend war denn auch das Urteil, welches Friedrich Karl von Savigny, einer der bedeutendsten deutschen Juristen bis zur Gegenwart, 1804 in seinem Gutachten zur Reorganisation Heidelbergs abgab: „Das Erste, was hier jedem Beobachter auffällt, ist die nicht geringe Zahl völlig unbekannter Lehrer, welche aus dem alten, hilflosen Zustande der Universität übrig geblieben sind.“

Nicht vergessen darf man jedoch, dass das Leben an der Universität Heidelberg während des 17. Jahrhunderts im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges und des pfälzischen Erbfolgekrieges nahezu zum Erliegen gekommen war. Aber auch die religiösen Umbrüche in der Kurpfalz veränderten das geistig-akademische Leben einschneidend. Insbesondere an den Folgen des Schwäbisch-Haller Erbrezesses von 1685, der das Prinzip des „cuius regio, eius religio“ begrenzen sollte, trug die Universität schwer. Im Zuge einer gezielt betriebenen Konfessionspolitik der Kurfürsten übernahmen die Jesuiten während jener Zeitspanne eine führende Rolle an der Universität. Von einigem wissenschaftlichen Rang ist in diesem trostlosen Kapitel der Fakultätsgeschichte nur Philipp Anton Schmid, Verfasser eines gern benutzten Lehrbuchs zum deutschen Kirchenrecht (1771).

Nahezu völlig unberührt blieben die Universität und insbesondere die Juristische Fakultät von der Jahrhundertbewegung der Aufklärung, während der sich die Wissenschaften von religiösen Vorstellungen lösten und nunmehr die Jurisprudenz die Theologie aus deren früherer Führungsrolle verdrängte. Und das, obgleich in Heidelberg von 1661 bis 1668 mit Samuel von Pufendorf (1661-1668) einer der ersten und bedeutendsten Naturrechtslehrer hier wirkte und lehrte. Sein 1672 erschienenes Hauptwerk „De jure naturae et gentium“ beherrschte über eine Epoche hinweg den akademischen Unterricht.

Einhundert Jahre zuvor aber hatte die Heidelberger Juristenfakultät zu den glanzvollsten rechtswissenschaftlichen Institutionen in ganz Europa gezählt. An ihr unterrichteten so bedeutsame Gelehrte wie Franz Balduin, Christoph Ehem, der unter Friedrich III. zum leitenden Staatsmann der Kurpfalz aufstieg, und Nikolaus Kistner. Einen weiteren Höhepunkt erreichte man mit den Berufungen von Francois Balduinus (1556) und Hugo Donellus (1572), die zu den französischen Schöpfern der modernen, vom Humanismus geprägten Rechtswissenschaft zählten. Ein weiterer berühmter Franzose, Dionysius Gothofredus, kam 1600 nach Heidelberg. Seine Ausgabe des „Corpus iuris civilis“, erstmals 1583 in Genf als Gesamtedition publiziert, besaß für mehr als zwei Jahrhunderte quasi authentischen Charakter.

Dabei war der Anfang der Juristischen Fakultät außerordentlich kümmerlich. Kein Jurist war bei dem feierlichen Gründungsakt in der Heilig-Geist-Kirche am 18. 10. 1386 anwesend. Als erster nahm Johann van der Noet, ein gebürtiger Brabanter, Ende 1386 den Lehrbetrieb an der Juristischen Fakultät auf. Über das Studienprogramm informieren uns die ältesten, vor 1394 entstandenen Fakultätsstatuten. Gelehrt wurde so gut wie ausschließlich kanonisches, d.h. kirchliches Recht. Das Studium weltlichen Rechts, d.h. der Legistik, spielte bis zur Regierungsübernahme Friedrich I. 1449 keine Rolle. Unter ihm wurde der Ausbau des territorialen Obrigkeitsstaats mit Gesetzgebung und Behördenorganisation kraftvoll betrieben. Nun stand im Vordergrund der Ausbildung nicht mehr der Stiftsklerus, sondern der landesherrliche Beamte. 1452 errichtete man im Zuge der Reform der Universitätsstatuten eine legistische Professur, deren Inhaber über den Codex Iustinianus, d.h. über römisches Recht, las; ein weiterer Lehrstuhl für die Pandekten kam 1498 hinzu. Stetig, aber unaufhaltsam vollzog sich der Niedergang des geistlichen Rechts, dessen Primat endgültig in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verloren ging. Zeitweise bestand die Fakultät aus fünf Professoren, von denen vier für das weltliche Recht und nur einer noch für das geistliche Recht zuständig waren. Es mag verwundern, dass die Zahl der Lehrstühle bis in das zwanzigste Jahrhundert hinein nahezu unverändert blieb.
 

Anton Friedrich Thibaut

Das Schwergewicht des juristischen Studiums lag im 19. Jahrhundert auf dem römischen Recht. Kernstück der Ausbildung war die große Pandektenvorlesung, die man nach der Einführung in die geschichtlichen und dogmatischen Grundlagen des römischen Rechts hörte. Auf den Pandektisten beruhte denn auch die Anziehungskraft der einzelnen juristischen Fakultäten. Und Heidelberg verfügte über die hervorragendsten Pandektisten der damaligen Zeit: An der Ruperto-Carola lehrten - neben dem bereits erwähnten Thibaut, der 1814 von Heidelberg aus zur Schaffung eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs aufrief - der „Pandektenfürst“ Karl Adolf von Vangerow, ihm folgten Bernhard Windscheid und Ernst Immanuel Bekker, der letzte Pandektist vor der Einführung des BGB. Zu den weiteren Ruhmestiteln der Fakultät zählte ebenso die Pflege des Öffentlichen Rechts, das mit den Namen von Johann Caspar Bluntschli, Johann Friedrich Schulze von Gaevernitz, Georg Meyer und Georg Jellinek verbunden ist. Dauerhaften Ruhm erwarb sich das „Universalgenie“ Karl Joseph Mittermaier nicht nur auf dem Gebiet des Strafprozessrechts, sondern er legte auch den Grundstein für die vergleichende Rechtswissenschaft in Deutschland. Genannt werden muss ebenso Levin Goldschmidt als Begründer der modernen Handelsrechtswissenschaft. Richtungsweisend waren die Lehrbücher von Heinrich Zoepfl und Richard Schroeder auf den Gebieten der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte.

Karl Adolf von Vangerow

 Allmählich erforderte aber die Pluralisierung der juristischen Disziplinen und das starke Anwachsen der Studentenzahlen im akademischen Betrieb eine behutsame Erweiterung des Lehrkörpers. Mit einer klugen Berufungspolitik gelang es auch weiterhin, berühmte Rechtsgelehrte an die Ruperto-Carola zu binden. Bemerkenswert ist, dass nach dem Umsturz der alten monarchischen Ordnung 1918/19 sich die Mehrheit der Heidelberger Rechtsgelehrten für die Weimarer Reichsverfassung einsetzte. Mutig engagierten sich insbesondere die Staatsrechtslehrer Richard Thoma und Gerhard Anschütz für die von allen Seiten verfemte Weimarer Republik. Zeitweilig amtierte Gustav Radbruch, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie, als sozialdemokratischer Justizminister in verschiedenen Kabinetten der Reichsregierung. Er zählte denn auch zu den Gelehrten, die aus politischen Gründen 1933 sofort entlassen wurden. Beispielhaft war die Haltung von Gerhard Anschütz, der die persönlichen Konsequenzen vor dem Hintergrund der Zerschlagung der freiheitlich demokratischen Grundordnung Weimars zog und in den ersten Monaten der beginnenden Hitlerei um Entpflichtung von seinem akademischen Lehramt nachsuchte. Auch der bekannte Rechtshistoriker Heinrich Mitteis verließ Heidelberg nach heftigen Auseinandersetzungen um die Entlassung des „rassisch belasteten“ Orthopäden Hans Ritter von Baeyer mit dem „Führer der Universität“, dem Arbeitsrechtler Wilhelm Groh. Als jüdische oder „jüdisch versippte“ Professoren wurden der Rechtshistoriker Leopold Perels, der Romanist Ernst Levy, der Verwaltungsrechtler Walter Jellinek und Max Gutzwiller, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, entlassen oder in den auf Antrag erzwungenen Ruhestand versetzt. Einzig der Rechtshistoriker und Leiter des „Deutschen Rechtswörterbuchs“, Eberhard von Künßberg, verblieb bis zu seinem Tode (1941) in seinem Amt, obgleich er mit einer Jüdin verheiratet war. Erhellt wird diese dunkle Epoche der Fakultätsgeschichte dadurch, dass ihr Dekan Eugen Ulmer die Deportation der Witwe von Künßbergs in ein Konzentrationslager verhindern konnte

Ulmer zählte zu den wenigen Professoren, die noch in der Spätphase der Weimarer Republik berufen worden waren. Aber auch er musste sich nach dem Ende des Krieges ebenso wie die in den Jahren 1933 - 1944 berufenen Professoren Karl Engisch, Hermann Krause und Ernst Forsthoff einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen und wurden zunächst von der amerikanischen Besatzungsmacht entlassen. Bemerkenswert ist die baldige Wiedereröffnung der Fakultät und ihre rasche Konsolidierung in den frühen Jahren der Bundesrepublik Deutschland. Zu verdanken war dies insbesondere dem Einsatz von Gustav Radbruch und Walter Jellinek, welche als erste Nachkriegsdekane die durch den gewaltigen personellen Aderlass in den Jahren des Nationalsozialismus und der Besatzungszeit geschwächte Fakultät noch im hohen Alter wieder aufbauten und die Grundsteine für ihren neuen Aufschwung legten. Angeführt seien nur die Namen von Eberhard Schmidt, Eduard Wahl, Hermann Mosler und Wolfgang Hefermehl.

Die expansive Entwicklung der Juristenfakultät spiegelt sich insbesondere in der Zahl der Studierenden wider: Waren im Sommersemester des Jahres 1900 564 Studierende für das Fach Rechtswissenschaft eingeschrieben, so steigerte sich ihre Zahl auf 1020 im Sommersemester 1960 und erreichte mit 3010 im Sommersemester 1997 einen vorläufigen Höhepunkt. Im Sommersemester 2011 waren an der Heidelberger Rechtswissenschaftlichen Fakultät insgesamt 2241 Studierende (1064 Studenten, 1177 Studentinnen) immatrikuliert Mit dieser exorbitanten Zunahme und Intensivierung des akademischen Lebens hielt jedoch die Erweiterung des Lehrkörpers keineswegs Schritt: Zählte man noch im Jahr 1961 fünf zivilrechtliche Lehrstühle, vier Lehrstühle für Öffentliches Recht, zwei strafrechtliche und zwei rechtshistorische Lehrstühle, so betreuen im Jahr 2007 insgesamt 22 Professoren und eine Professorin das seit Beginn der siebziger Jahre immens angewachsenes Fächerangebot. Die auch in Heidelberg seit langen Jahren zu beobachtende chronische Unterfinanzierung von Forschung und Lehre führt dazu, dass ein Professor für 100 Studierende zuständig ist. Umso bemerkenswerter ist es angesichts dieses Befundes, dass die Juristische Fakultät der Universität Heidelberg in den unterschiedlichsten „Rankings“ immer wieder an vorderster Stelle zu finden ist. Ein Erfolg, der nicht zuletzt dem Engagement der an der ältesten Universität auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland lehrenden Rechtswissenschaftlern zu verdanken ist.

Levin Goldschmidt