Reformentwurf zur Erneuerung des Steuerrechts

Rechtfertigung der Steuer

Jeder, der die Erwerbsbedingungen des Wirtschaftslebens in Deutschland genutzt hat (Frieden, Vertragsrecht, Währung, Ausbildung der Arbeitskräfte und Kunden, Markt, Kaufkraft), soll einen maßvollen Teil des dadurch erreichten wirtschaftlichen Erfolges an die Allgemeinheit zur Finanzierung dieses Systems abgeben. Es soll nur noch vier Steuern geben:  auf das Einkommen (einheitlich bei natürlichen Personen, Personengesellschaften und Körperschaften), den Umsatz, die Erbschaft und die Schenkung, auch den Verbrauch, soweit er die Gemeinschaft finanziell belastet.

Die Einkommensteuer wird für den Arbeitnehmer, den Bezieher von Kapitaleinkünften und von Alterseinkünften einfach und sozial gestaltet: Grundfreibetrag von 8.000 Euro, Vereinfachungspauschale von 2.000 Euro, für die nachfolgenden 10.000 Euro eine verdeckte Progression in der Bemessungsgrundlage, sodann ein Steuersatz von 25%.
Die neue Einkommensteuer kennt nur noch eine Einkunftsart, weil jeder in den bisher sieben Einkunftsarten erzielte Euro dieselbe Leistungsfähigkeit vermittelt. Alle Ausnahme-, Lenkungs- und Privilegientatbestände entfallen. Die gleichheitsgerecht zugeteilte Steuerlast ist durch Steuergestaltungen kaum noch vermeidbar. Die gegenwärtige Unterscheidung zwischen Steuersätzen von 15% (Körperschaftsteuer), 25% (privates Kapitalvermögen) und 14 bis 45% (progressive Einkommensteuer) entfällt. Arbeitseinkommen werden nicht mehr höher besteuert als Kapitalerträge.

Die Unternehmensteuerreform entlastet den Unternehmer von Steuerlenkungen und Steuervorbehalten, macht ihm den Kopf wieder frei für sein Produkt und seinen Markt. Alle Unternehmen werden einheitlich derselben Einkommensteuer unterworfen. Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften bilden jeweils eine steuerjuristische Person, bei der die Steuer erklärt und erhoben wird. Die Weitergabe des bereits besteuerten Gewinns an Beteiligte ist die Weitergabe von Vermögen, also nicht steuerbar. Die Gewerbesteuer wird durch eine kommunale Zuschlagssteuer auf alle in der jeweiligen Gemeinde erwirtschafteten Einkommen mit kommunalem Hebesatz ersetzt.

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer belastet jede durch Erbschaft und Schenkung empfangene Bereicherung, vereinfacht die Steuer in schlichten Grundtatbeständen und einem praktikablen Bewertungsverfahren. Die Erbschaft unter Ehegatten ist nicht steuerbar, weil Vermögen nicht an die nächste Generation weitergegeben wird. Soweit, insbesondere bei Unternehmen, das ererbte Vermögen kaum Liquidität vermittelt, kann die Steuer auf 10 Jahre in gleichen Jahresraten zinslos gestundet werden. Es gibt nur noch wenige Steuerbefreiungen (Kinder 400.000, Hausrat 20.000, im übrigen 50.000), keine Steuerklassen und nur einen einheitlichen Steuersatz von 10%.

Die Umsatzsteuer belastet den Verbraucher, ist also eine Verbrauchsteuer, wird gegenwärtig dennoch auf alle Umsätze erhoben und dann bei zwischenunternehmerischen Umsätzen durch einen Vorsteuerabzug wieder zurückgenommen. Dieses aufwendige Verfahren wird beendet. Zwischenunternehmerische Leistungen sind grundsätzlich nicht steuerbar, wenn sie über prüfbare Bankkonten (Gewährkonten) abgewickelt werden und dabei eine umsatzsteuerliche Identifikationsnummer erkennbar ist. Im neuen System der Ist-Besteuerung belastet die Umsatzsteuer erst die erbrachte Leistung. Dadurch werden nicht gerechtfertigte Liquiditätsverschiebungen und Ausfallrisiken vermieden. Die Umsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer, wird also grundsätzlich dort erhoben, wo der Verbraucher erwirbt.

Die Verbrauchsteuer belastet den Verbrauch, durch den der Allgemeinheit Kosten entstehen. Steuergegenstand ist der Verbrauch von Energie, von Tabak und Alkohol. Auf die übrigen Verbrauchsteuern wird verzichtet. Die Verkehrssteuern werden in die Umsatzsteuer integriert.

Prof. Dres. h.c. Paul Kirchhof

 

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Letzte Änderung: 13.06.2012
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